Vereinigte Pignons Fabriken AG - Der Grenchner Zahnradhersteller blickt anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums zurück

2022-07-01 20:52:47 By : Ms. Zhuri Cheng

Anlässlich des Jubiläumsjahres hatte der Traditionsbetrieb Vereinigte Pignons Fabriken AG in Grenchen einen Tag der offen Tür geplant. Aufgrund von Corona musste jedoch darauf verzichtet werden. Die drei Brüder blicken zurück und informieren über die Firma.

«100 Jahre Pignons – von guten und anderen Zeiten», heisst es in der Einleitung zur Festschrift, welche das bekannte Grenchner Familien-KMU anlässlich seines Jubiläumsjahres 2020 publiziert hat. Darin werfen die drei Brüder Jürg, Christoph und Urs Lerch einen Blick zurück und informieren über die Firma, ihre Produkte und die gemeisterten und anstehenden Herausforderungen.

Das Jubiläumsjahr hatte sich Jürg Lerch, der aktuelle Patron, zwar etwas anders vorgestellt. «Wir hatten ursprünglich im Juni ein Jubiläumsfest und einen Tag der offenen Tür für die Bevölkerung geplant. Doch Corona hat diese Pläne leider durchkreuzt.» Doch immerhin wird die kantonale Volkswirtschaftsdirektorin und Frau Landammann Brigit Wyss am 30. Oktober mit einer Delegation der Firma einen Besuch abstatten.

Ironie der Geschichte sei, dass die Firmengründung vor 100 Jahren ebenfalls unter dem Eindruck der damaligen Grippeepidemie («Spanische Grippe») stand, ruft Lerch in Erinnerung. Er leitet die Firma heute operativ in dritter Generation, Christoph Lerch ist Verwaltungsratspräsident. Urs Lerch, der Älteste, hat sich diesen Frühling aus der operativen Tätigkeit zurückgezogen und amtet als Verwaltungsrat.

Die Firmengeschichte begann, als Grossvater Robert Lerch 1920 als Mitarbeiter und Teilhaber in die Kommanditgesellschaft Gebr. Güggi & Co. eintrat. In der Wirtschaftskrise 1929 schlossen sich einige Hersteller zu den Vereinigten Pignons Fabriken (VPF) zusammen. Sitz war zuerst Bévilard und bereits nach einem Jahr, nach dem Austritt von zwei Fabrikanten, Grenchen. 1933 wurden verschiedene Standorte an der Jurastrasse 20 zentralisiert. Bauliche Erweiterungsetappen folgten 1939, 1951, 1956 und 1981.

In einem ersten Arbeitsgang schneiden CNC-gesteuerte Drehautomaten die Rohlinge aus Metallstangen. Danach werden die Werkstücke in die Magazine der so genannten Verzahnungsmaschinen eingefüllt. Das rotierende zylindrische Werkstück wird dabei von einem ebenfalls rotierenden speziell geformten Fräskopf bearbeitet, der so geschliffen ist, dass er mit dem Werkstück, das zu verzahnen ist, ein «Schneckengetriebe» bildet.

Die bereits im 19. Jahrhundert in den Grundlagen entwickelte Bearbeitungsmethode erlaubt die rationelle Produktion auf Automaten, die autonom über mehrere Stunden arbeiten können (Geisterschichten). Solche Verzahnungsautomaten werden auch von der Maschinenindustrie in der Region Grenchen hergestellt. (at.)

Der französische Begriff Pignons stammt aus der Uhrenindustrie und bedeutet «Triebe». Gemeint sind im Wesentlichen Zahnräder verschiedenster Grössen und Ausführungen. Sie bilden bis heute das Hauptprodukt und die Kernkompetenz der VPF. (vgl. Kasten)

Der maximale Personalbestand wurde mit rund 300 Angestellten im Jahr 1960 erreicht. «Damals galt das Prinzip eine Maschine – eine Person. Die Maschinen wurden von Hand bestückt», erklärt Lerch. Seither geht es darum, durch Effizienzsteigerung und Automatisierung die Kosten zu senken, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die nächsten Schritte heissen Robotik bzw. 3D-Druck wobei Letzterer für präzise Anwendungen noch zu wenig genau sei, wie Lerch anmerkt.

Billig grosse Stückzahlen zu produzieren, beispielsweise für die Auto­mobilindustrie, gehört allerdings schon lange nicht mehr zum Ziel der ­«Pi­gnons», wie die Firma in Grenchen genannt wird. Aus der volatilen Uhrenindustrie sei man schon unter der ­Ägide seines Vaters Max Lerch vor der grossen Uhrenkrise der 80er-Jahre ausgestiegen. «Die Uhrenindustrie hat heute für uns nur noch marginale Bedeutung», erklärt Jürg Lerch.

Vielmehr setzt der Betrieb auf Premiumprodukte für ein breites Spektrum an Branchen. Medizintechnik, Orthopädie, Aerospace, Messtechnik, Antriebstechnik, Wehrtechnik (Zünder), Gebäudetechnik, Lebensmittelindustrie, Fototechnik, hochwertige Konsumgüter (z. B. Kaffeemaschinen) usw. So waren beispielsweise bereits die ­Hasselblad-Kameras der Nasa-Mondmissionen mit Präzisionszahnrädern aus Grenchen ausgerüstet.

In der Tat: Ohne Zahnräder bewegt sich in der heutigen mechanisierten Welt kaum etwas. «Wir setzen dabei auf unsere Erfahrung als Zulieferer und produzieren alles gemäss Kundenspezifikationen», erklärt Lerch weiter. Auch zusammengesetzte Teile und Baugruppen gehören dazu, wobei Teile ohne eigene Fertigung zugekauft würden.

Dabei begibt man sich öfters mal ins Randgebiet der technischen Möglichkeiten und Herausforderungen. Zurzeit laufen auf den Drehautomaten Kleinstteile aus Titanium. Die Bearbeitung des leichten und widerstandsfähigen Materials ist anspruchsvoll, beispielsweise wenn es gilt, ein Loch von nur 0,3 mm Durchmesser hineinzubohren. Das fertige Teil dient als Elektrode für Elektrostimulationsgeräte.

Als Ausgangsmaterial für die Zahnräder dienen verschiedene (rostfreie) Stähle, Buntmetalle, Aluminiumlegierungen, Beryllium-Kupfer, Titan und bisweilen auch Kunststoffe. Um die kleinsten Zahnräder zu begutachten, braucht es schon eine Lupe, die grössten haben Durchmesser von über 3 cm.

Heute beschäftigt das Unternehmen rund 40 Personen, wobei das durchschnittliche Dienstalter des Personals bei 13 Jahren liege. «Die Firmentreue unserer Belegschaft ist hoch», konstatiert Jürg Lerch, was für ein gutes Betriebsklima spricht.

Zusammen erwirtschaftet man einen Umsatz im hohen einstelligen Millionenbereich. Rund 70 Prozent der Produkte gehen direkt ins Ausland, weitere indirekt in Produkte der schweizerischen Exportindustrie.

Wie hat die Firma den Coronaschock bisher verdaut? Laut Jürg Lerch war der Auftragseinbruch im 2. Quartal massiv. Danach habe eine langsame Erholung eingesetzt. Die beantragte Kurzarbeit wurde Ende August beendet. Das Auftragsniveau von vor der Krise sei aber nicht mehr erreicht worden. «In dieser Ausgangslage Prognosen zu wagen, ist schwierig», meint Lerch zu den Zukunftsaussichten.

In den nächsten Jahren wird er sich noch mit einer Nachfolgeregelung für die Familienfirma beschäftigen müssen. Familienintern hat sich derzeit keine Lösung abgezeichnet. Immerhin sei er «äusserst erleichtert» über die Ablehnung der Begrenzungsinitiative der SVP. «Diese und ihre Folgen hätten unserer Firma empfindlich geschadet», meint Lerch, der bis vor kurzem auch die «FDP.Die Liberalen der Stadt Grenchen» interimistisch leitete.