SIHH 2018 in Genf: Die wichtigsten Uhren-Neuheiten

2022-10-15 06:45:08 By : Mr. Kevin Deng

Die Marke aus dem Vallée de Joux, eine der wenigen echten Manufakturen, erinnert sich der legendären Uhr, die sogar Unterwasser gut hörbar läutet. Das Modell Polaris wurde 1968 lanciert, also vor genau 50 Jahren. Jetzt hat Jaeger-LeCoultre aus seinen ästhetischen Codes gleich eine ganze Modellfamilie gebaut. Im Gegensatz zu anderen Retro-Modellen wirkt die Polaris-Linie nie kitschig, weil das Design von 1968 eine zeitlose Qualität besitzt.

Jaeger-LeCoultre entwickelte das Konzept einer Taucheruhr mit einem Alarm, der auch unter Wasser läutet, bereits 1959 mit dem Modell «Deep Sea». Die ersten Modelle der Polaris kamen 1965 auf den Markt und waren mit einem automatischen Aufzug (Kaliber 825) und einem dreifachen Boden ausgerüstet, der ein akustisches Signal übertragen konnte und die Uhr trotzdem wasserdicht hielt. Zwischen 1968 und 1970 wurde die Polaris im typischen Design hergestellt, das heute noch vorbildlich ist. Als Taucheruhr war ihr Gehäuse mit 42mm für die damalige Zeit relativ gross konzipiert, zum Glück hat man die Neuausgabe nicht vergrössert. Der Alarm ist bei der Re-Edition viel besser hörbar und klingt schöner als das Original. Damals wurden übrigens laut Jaeger-LeCoultre in drei Jahren bloss 1250 Stück hergestellt, rechnet man die Modelle vor 1968 dazu, waren es 1700 Stück. Die Originale sind also eine echte Exklusivität, darum zahlt man heute für eine gut erhaltene Polaris, je nach Zustand, 25'000 bis 60'000 Franken.

Auch das neue Modell wird auf 1000 Exemplare limitiert. Die weiteren Varianten der neuen Polaris-Familie sind hingegen un-limitiert, darunter eine einfachere Version ohne Alarm für 7050 Franken. Interessant ist zudem der Chronograf mit Weltzeitfunktion. Mit dem 44 mm grossen Titan-Gehäuse kostet er 15'200 Franken.

Vacheron Constantin, die Nobel-Marke in der Richemont-Gruppe, hat die Zeichen der Zeit erkannt: Sie muss sich preislich etwas tiefer positionieren, um auf das nötige Volumen zu kommen. Die neue Linie «Fiftysix» hat sich von einem Modell aus dem Jahr 1956 (Ref. 6073) inspirieren lassen. Der Durchmesser wurde von 35 auf 40 mm vergrössert, das Plexiglas durch ein leicht erhöhtes Saphirglas ersetzt. Die klassisch-elegante Uhr fällt vor allem auch in der Seitenansicht durch die geschwungen Linien ihres Gehäuses auf. Mit 9,6 mm Höhe ist der Zeitmesser angenehm flach gehalten und liegt gut am Handgelenk. Das Uhrwerk mit 48 Stunden Gangreserve besitzt einen Gold-Rotor und wird von der Richemont-Fabrik ValFleurier hergestellt. Montiert, eingeregelt und justiert wird das Werk in Genf. Seine Oberfläche ist zwar mit «Côtes de Genève» dekoriert, aber das Uhrwerk (sichtbar durch Glasboden) trägt leider nicht das Qualitätssiegel «Poinçon de Genève», das für die Vacheron-Uhren typisch ist. Das ist den teureren Varianten der Modellfamilie (Vollkalender mit Mondphase, 22'200 Euro) vorbehalten.

Alternativer Tipp: Das Original-Modell aus den 1950er Jahren, Referenz 6073, ist auf den einschlägigen Marktplätzen immer noch zu finden und kostet zwischen 8000 und 12'000 Franken, dafür allerdings mit Goldgehäuse (35 mm). Aktuell ist zum Beispiel eine Uhr mit Türler-Signatur auf dem Zifferblatt zu finden.

Die Uhr für den Globalisten: Die Montblanc Geosphere ist eine der optisch interessantesten Neuerscheinungen, sie hat das Zeug zum talking piece. Auf zwei runden, reliefartigen Scheiben kreisen die nördliche und die südliche Hemisphären. Rote Punkte markieren die höchsten Berggipfel jedes Kontinentes. Theoretisch könnte man hier die Weltzeit jeder wichtigen Stadt ablesen, aber erstens braucht man dazu eine starke Lupe, und zweitens müsste man schätzen, wo genau die Stadt liegt, um danach die Zeit auf dem Ring abzulesen, der die drehende Scheibe umgibt. Die Uhr im gelungenen Retro-Styling ist als echte Weltzeituhr nicht wirklich brauchbar, da nicht jede wichtige Stadt identifiziert werden kann. Aber optisch bietet die Montblanc eine nette Spielerei (was die Uhren mit vielen Komplikationen meistens sind). Effektiv nutzbar ist dafür die Anzeige der zweiten Zeitzone auf dem Hilfszifferblatt bei 9 Uhr. Den 42 mm grossen Zeitmesser gibt es übrigens auch mit einem fetten, extrabreiten Armband im Stil der 1970er Jahre, so wie es von Paul Newman getragen wurde. Unter dem Zifferblatt wird klar, warum der Preis bei moderaten 5190 Euro gehalten werden konnte: Da tickt ein Uhrwerk von Sellita, ergänzt mit einem Modul von Montblanc. Leider gab Montblanc keine Auskunft über die Präzision des Werks: «Wir führen unsere eigenen Tests durch, aber wir kommunizieren nicht, in welcher Bandbreite die Toleranz liegt.»

Cartier ist die wichtigste Marke im Richemont-Konzern – und darum war man besonders gespannt, was die Leute aus Paris dieses Jahr zeigen werden. Auch die Franzosen griffen tief ins Archiv –und präsentierten eine neue Version der Panthère, einer Uhr aus den 1980er Jahren. Das ist eine Uhr für die Diva, denn sie umschlingt das schlanke Handgelenk gleich dreifach. Die Kunst dabei ist, das Armband so feingliedrig zu gestalten, dass es sich perfekt fliessend anschmiegt. Das ist Cartier durchaus gelungen. Im kleineren Gehäuse – die Proportionen müssen gewahrt werden – tickt ein Quarz-Werk. Erhältlich sind auch Versionen in Weiss- und Rotgold sowie eine einfachere Variante mit einem etwas kürzeren Armband, das man zweimal ums Handgelenk windet.

Für die Männer hat Cartier noch weiter zurück im Archiv gesucht – und eine Neuinterpretation der Fliegeruhr Santos lanciert. Cartier fertigte 1904 für seinen Freund, den brasilianischen Piloten und Abenteurer Alberto Santos Dumont, eine Armbanduhr. Das war damals revolutionär, weil Männer nur Taschenuhren trugen – Armbanduhren waren den Frauen vorbehalten. Zudem wählte er eine quadratische Form mit abgerundeten Ecken, in einer Zeit, in der die Uhren alle rund waren. Die Form des Gehäuses ist eine Reverenz an die Neugestaltung von Paris mit seinen Plätzen und Boulevards. Das spezielle Armband ist sehr leicht austauschbar – und kann mit Lederarmbändern in 17 Farben ergänzt werden. Die Santos kann in unzähligen Varianten (Stahl, Bicolor, Rotgold, Gelbgold oder Uhrwerk skelettiert) geliefert werden. Das Gehäuse kann Medium (35 x 42 mm) oder Large (40 x 47,5 mm) gewählt werden.

Auch IWC hat die eigenen Archive intensiv konsultiert, schliesslich feiert die Schaffhauser Marke dieses Jahr den 150. Geburtstag. Neben der Pallweber-Uhr, die einer historischen Taschenuhr nachempfunden ist, zeigte IWC in Genf auch eine Reihe von Portugieser-Uhren, deren Design ursprünglich aus den 1930er Jahren stammt. Ewige Kalender sind meistens schwierig abzulesen, da zu viele Zahlen auf eine kleine Fläche gesetzt werden. Nicht so bei der IWC mit dem ausgewogenen, gut eingeteilten grossen Zifferblatt, das in einem 44,2 mm grossen Gehäuse ruht. Während in Schaffhausen bei den günstigeren Modellen noch mehrheitlich externe Werke eingebaut werden, tickt in diesem Zeitmesser das hauseigene Kaliber (52615) mit zwei Federhäusern – und ermöglicht so eine lange Gangreserve von 168 Stunden. Das intelligente Werk regelt selbständig die unterschiedlich langen Monate und braucht erst im Jahr 2100 eine Korrektur. Wir können also immerhin noch 82 Jahre in Ruhe darauf warten, bis wir eingreifen müssen.

Die Geschichte spielt auch bei Girard-Perregaux eine entscheidende Rolle: Die Laureato-Linie mit der markanten oktogonalen Lunette ist bereits 1975 eingeführt worden. Jetzt hat die Marke aus La Chaux-de-Fonds die Linie mit einem Chrono-grafen erweitert. Interessanterweise gibt es ihn in zwei Aus-führungen: einer kleineren Variante (38 mm), die sich auch für Damen eignet, sowie ein grösseres Modell (42 mm). Beide werden vom selben Uhrwerk (GP 3300) angetrieben, einem Manufaktur-werk mit automatischem Aufzug, auf das ein Chronografen-Modul gesetzt worden ist. Schade, dass nicht ein integriertes Chronografen-Uhrwerk eingesetzt worden ist, offenbar hat man aus Kostengründen darauf verzichtet. Trotz der Modul-Bauweise konnte die Höhe des kleineren Modells bei vertretbaren 10,9 mm gehalten werden. Wichtiger ist bei diesem Zeitmesser ohnehin der kantige, scharf geschnittene Look. Dieser Stil setzt sich auf dem Zifferblatt mit dem waffelförmigen «Clou de Paris»-Muster fort. Die Reihen von kleinen, pyramidenförmiger Erhebungen sorgen für spannende Lichteffekte. Girard-Perregaux agiert mit dem Chronografen etwa in der Preisklasse einer Rolex Daytona. Doch mit einer Jahresproduktion von insgesamt nur etwa 10'000 Uhren hat das Traditionshaus viel höhere Stückkosten.

Diese Uhr ist eine veritable Skulptur, ein Meisterwerk der feinsten Proportionen – aber leider erst ein Prototyp. Wir sprechen hier von dem dünnsten ewigen Kalender mit automatischem Aufzug: Die Audemars Piguet Royal Oak RD2 ist nur gerade 6,3 mm hoch, das Uhrwerk bloss 2,89 mm. Das ist ein Weltrekord, an dem die Ingenieure fünf Jahre tüftelten. Während solche Prototypen meistens unmöglich aussehen, besticht die Audemars durch ihre Ästhetik. Die Uhr wirkt wie die Antithese zur klobigen, traditionellen Royal Oak, obwohl sie deren formgebende Grundlinien teilt. Und trotz ihrem schlanken Auftritt wiegt sie überraschend viel, da sie aus Platin gefertigt ist. Leider wollte Audemars-Piguet-Chef François-Henry Bennhamias noch nicht verraten, wann dieses Design-Stück in Serie geht. Und was sie kosten soll, wollen wir jetzt gar nicht wissen.

Und weiter geht es mit den abgemagerten Uhren. Denn die Jagd nach der flachsten Uhr ist noch längst nicht abgeschlossen. Piaget, der Spezialist für flache mechanische Uhren, präsentierte in Genf zwei weitere Meilensteine auf diesem Weg.

Erstens den Prototypen einer Uhr, die mitsamt Gehäuse und Glas gerade mal so dünn ist wie das Kaliber 9P von 1957. Die Flunder mit dem Namen Altiplano Ultimate Concept hat eine Bauhöhe von ganzen 2 mm und ist damit so dünn wie ein Zweifränkler. Sie bleibt allerdings vorerst ein Einzelstück, an dem die Ingenieure und Uhrmacher Neuentwicklungen, wie zum Beispiel eine einseitig gelagerte «fliegende» Unruh mit Miniaturkugellager testen. Auch das nur 0,2 mm dünne Saphirglas muss zuerst einmal in der Praxis getestet werden, bevor eine Uhr damit in den Handel kommt.

Zweitens zeigte Piaget das Modell Altiplano Ultimate Automatic: Mit ihren 4,3 mm Bauhöhe ist sie die flachste mechanische Armbanduhr mit Selbstaufzug. Um Letzterem möglichst wenig Raum im Gehäuse zuzugestehen, wurde er als Ring mit exzentrischem Gewicht konzipiert, der sich auf einem Miniaturkugellager um das Uhrwerk herum dreht. Optisch gleicht die Uhr dem 2013 vorgestellten Modell Altiplano 900P mit Handaufzug. Der Eindruck täuscht nicht, denn den beiden Uhren liegt dasselbe Konstruktionsprinzip zugrunde, ein Prinzip, das sogar in der Billiguhr Swatch zur Anwendung kommt: Anstatt nur Behälter fürs Uhrwerk zu sein, wird die Gehäuseschale selbst ein Teil davon. Der Boden des Gehäuses ist gleichzeitig die Platine des Werks, wodurch wertvoller Platz gewonnen wird.

Ausserdem ist das Räderwerk sichelförmig um das Zifferblatt arrangiert, um dieses eine Etage tiefer legen zu können. Da exzentrisch angeordnete Zifferblätter nichts Ungewöhnliches sind, fällt die Bauweise nicht einmal mehr auf. Reizvoll ist die Tatsache, dass die gesamte Mechanik einschliesslich der pulsierenden Unruh von oben betrachtet werden kann. Beim neuen Modell mit automatischem Aufzug verrät einzig der auf dem Ring aufgebrachte Schriftzug 910P, dass der schwarze Ring beim Tragen der Uhr in ständiger Bewegung ist und das Uhrwerk mit Energie versorgt. Timm Delfs

Eine Überraschung bot Baume & Mercier, die Marke im tieferen Preissegment der Richemont-Gruppe: Sie steht für den Einstieg des Konzerns in die Silizium-Technologie. Diese Technik wurde zuerst von Ulysse Nardin verwendet, dann von einem Konsortium, bestehend aus Swatch Group, Patek Philippe und Rolex. Über zehn Jahre später steigt also auch Richemont auf diesen Zug auf. Die konzerneigene Firma ValFleurier hat das Uhrwerk entwickelt, zusammen mit der Forschungsabteilung von Richemont. Wie beispielsweise bei den Swatch-Group-Marken kommt nun eine Hemmung und Unruh-Spirale aus Silizium zum Einsatz, dank einer speziellen Legierung (genannt Twinspir) werden laut Baume & Mercier keine Patente verletzt.

Die Vorteile sind eindrücklich: Das Uhrwerk widersteht Magnetfeldern bis 1500 Gauss, die Gangreserve konnte auf 5 Tage oder 120 Stunden ausgedehnt werden, die Präzision liegt innerhalb der COSC-Chronometer-Werte (–4 Sek. bis +6 Sek. Abweichung auf 24 Std.). Einen Service braucht diese Uhr nur noch alle sieben bis acht Jahre, laut Tests kann man damit sogar zehn Jahre warten (trotzdem gewährt Baume & Mercier nicht mehr als drei Jahre Garantie). Das Ganze sieht aus wie ein Testlauf. Wenn er erfolgreich ist, wird man das Werk in ähnlichen Ausführungen wohl auch bei anderen Richemont-Marken sehen. Zumal der Preis wirklich attraktiv ist.

Jean-Claude Biver hat seine fünfte Uhrenmarke saniert: Nach Blancpain, Omega, Hublot, TAG Heuer ist er auch bei Zenith «praktisch am Ziel», wie er im Gespräch sagt. Ende Jahr wird die Manufaktur in Le Locle wieder in der Gewinnzone sein. «Am ersten Tag in Genf haben wir mehr Umsatz gemacht als letztes Jahr in sieben Tagen», berichtet Biver. Er hat der 1865 gegründeten Traditionsmarke Modernität eingehaucht – und das kommt an. Die Defy 21 ist dank zwei unterschiedlich rasch tickenden Hemmungen fähig, die 1/100-Sekunde anzuzeigen. Dann vollbringt der Chrono-Zeiger rasend schnell, in nur einer Sekunde, eine volle Umdrehung. Oben wird die Gangreserve des Chronografen angezeigt, die bis 50 Minuten reicht. Neu ist die blau eingefärbte Platine, die der Uhr einen noch technischeren, futuristischen Look gibt. Passend dazu ist das Armband, gefertigt wie das Gehäuse aus Titan. Der Preis für so viel hochwertige Technik ist mit 12'900 Franken (mit Titanband) moderat angesetzt. Und Ende Jahr geht dann auch die revolutionäre Defy Lab in Serie, das ist die Uhr mit neuartiger Hochfrequenz-Hemmung (15 Hz), die weniger als eine Sekunde Gangabweichung auf 24 Stunden aufweisen soll.

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