AdBlue-Lager laufen leer: Hoher Gaspreis bringt Logistikbranche ins Schlingern - n-tv.de

2022-09-10 02:17:29 By : Mr. SEAN LIU

Diesel-LKW brauchen AdBLue. Ohne den Abgasreiniger kommt der Güterverkehr auf der Straße zum Stillstand.

Der für Diesel-LKW vorgeschriebene Abgasreiniger AdBlue wird knapp. Stillstand im LKW-Verkehr und leere Regale in den Geschäften könnten die Folge sein, warnt die Logistikbranche. Bereits in zwei Wochen könnte es zu ersten Engpässen im Handel kommen.

In der Energiekrise tut sich die nächste Baustelle auf. Weil für das vorgeschriebene Abgasreinigungsmittel AdBlue sehr viel Gas benötigt wird, geraten die Produzenten aufgrund der drastisch gestiegenen Preise zunehmend unter Druck. Wie sehr, zeigt sich am Beispiel SKW Piesteritz aus Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Das Unternehmen stellt bereits seit mehr als zwei Wochen keinen Reinigungsstoff mehr her. Grund ist das teure Erdgas, das den Vollbetrieb der Anlagen unwirtschaftlich macht. Inzwischen sind auch die Lager so gut wie leer, wie das Unternehmen mitteilt. "Wir laufen trocken", warnte ein Sprecher des Chemieunternehmens. "Da wir nichts mehr produzieren, leeren sich unsere Lager." Die Energiekrise könnte damit zu einer neuen Krise führen, die auch die Verbraucher schmerzlich zu spüren bekommen könnten.

Das Problem: Der Abgasreiniger AdBlue ist für Diesel-LKWs vorgeschrieben. Über 70 Prozent aller Güter werden laut Logistikbranche per LKW transportiert. Nahezu jeder Lastwagen der Speditions-, Logistik- und Transportbranche in Deutschland fährt mit Diesel. Wenn große AdBlue-Hersteller wie SKW nicht produzieren, wird es automatisch zu Engpässen kommen, die ganze Lieferketten lahmlegen könnten.

Kommt der Güterverkehr auf der Straße zum Stillstand, wird das auch Auswirkungen auf die Versorgungslage haben. "Die Fahrzeuge bringen auch die Lebensmittel in die Supermärkte", wie ein Firmensprecher im Gespräch mit der dpa sagte. Kommen die Sattelschlepper nicht mehr vom Fleck, reißt der Warennachschub für Supermärkte und Händler ab. Firmen, Tankstellen und Supermärkte wie Aldi, Lidl, Rewe und Co. bekämen Nachschubprobleme. Und damit nicht genug: Der Stillstand des LKW-Verkehrs würde voraussichtlich auch zur nächsten Teuerungswelle führen. Die Verbraucher würden einmal mehr ächzen.

SKW Piesteritz gehört mit BASF und Yara zu den wichtigsten Produzenten von AdBlue. Der Bundesverband Gütertransport und Logistik (BGL) schlug bereits Alarm und warnte vor den massiven Folgen durch den wachsenden Mangel. "Kein AdBlue bedeutet keine Brummis. Und das bedeutet keine Versorgung für Deutschland", sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt der "Bild"-Zeitung am Vortag. Bereits in zwei Wochen könnte es zu ersten Engpässen im Handel kommen, prognostizierte er. Engelhardt forderte die Bundesregierung deshalb auf, einen "runden Tisch Logistik" zu initiieren.

AdBlue ist eine flüssige Harnstofflösung, mit dem schädliche Stickoxide aus den Abgasen von Dieselmotoren in Wasserstoff und Stickstoff gespalten werden. Eigentlich eine saubere Sache, solange sie reichlich vorhanden ist. Außerdem ist sie ein Nebenprodukt bei der Düngemittelherstellung. Aber auch diese Branche leidet stark unter der Gasknappheit und der Energiekrise. Zwar hat SKW Piesteritz - als einer der wichtigsten deutschen Düngemittelhersteller für die Landwirtschaft - mit dem BGL eine Notfallreserve vereinbart. Von dieser waren aber laut SKW zuletzt nur noch rund eine Million Liter AdBlue übrig.

Nach Angaben des Konzerns benötigt die Logistik in Deutschland 2,5 Millionen Liter AdBlue pro Tag, alle PKW alleine fünf Millionen Liter pro Tag. Der Konzern ist in der Produktion massiv auf Gas angewiesen. Da das Unternehmen jährlich 14 Terrawattstunden Gas benötigt, treffen die Rekordpreise SKW ins Mark. Zudem müsse der Konzern monatlich voraussichtlich 30 Millionen Euro Gasumlage zahlen, sagte ein Sprecher. Eigentlich sei SKW ein "kerngesundes" Unternehmen. Diese Summen seien finanziell jedoch nicht mehr zu stemmen.

Der Chef der Industrie- und Handelskammer im Süden Sachsen-Anhalts, Thomas Brockmeier, bezeichnete die Einführung der Gasumlage als "Todesstoß" für energieintensive Unternehmen. SKW Piesteritz fordert von der Politik eine Deckelung des Gaspreises und eine Ausnahme bei der Gasumlage für Unternehmen, die Gas als Rohstoff einsetzen. "Wenn nichts passiert, müssen wir zum 1. Oktober Kurzarbeit anmelden." SKW Piesteritz beschäftigt 850 Mitarbeiter, den Großteil davon in der Produktion. Da durch die Energiekrise nicht nur AdBlue für den LKW-Verkehr knapp wird, sondern auch Düngemittel für die Landwirtschaft, seien auch Ernteausfälle zu befürchten, warnte Brockmeier.

Quelle: ntv.de, ddi/rts